Menschenkinder sind Traglinge

Die Biologie teilt die Säugetiere in drei verschiedene Kategorien ein: Nesthocker, Nestflüchter und Traglinge. Letztere Kategorie wurde erst 1970 von Bernhard Hassenstein eingeführt. Im Überblick:

 

Nesthocker
Nesthocker sind nach der Geburt zunächst hilflos, d.h. Augenlider und Gehörgänge sind geschlossen und sie sind noch nicht in der Lage, sich fortzubewegen oder ihre Körpertemperatur selbst zu regulieren. Sie sind unreif und brauchen den Schutz des Nestes. Ihre Nahrung ist eine sehr fetthaltige Milch, die lange sättigt, da die Mutter ihre Jungen für längere Zeit allein lässt (Beispiel: Kaninchen). Bei Verlassenheit verhalten sich die Jungen still.

 

Nestflüchter
Nestflüchter sind nach der Geburt relativ selbständig. Sie haben funktionstüchtige Sinnesorgane, sind schnell in der Lage sich fortzubewegen und können ihre Temperatur selbständig regulieren. Sie sind reif und können ihrer Mutter folgen. Ihre Nahrung ist eine weniger fetthaltige, die kürzer sättigt. Lange Sättigungszeiten sind nicht von nöten, da das Junge dauernd bei der Mutter ist und bei Verlassenheit nach der Mutter ruft.

 

Traglinge
Traglinge sind nach der Geburt relativ hilflos. Sie kennzeichnen sich durch gut ausgeprägte Greifreflexe an den Händen und Füssen (Palma-Reflex) zum Festhalten an der Mutter. Bei den Menschenkindern fehlt es heute jedoch an Haarkleid der Mutter, so dass hier auch die Kraft der Kinder nicht mehr ausreichend vorhanden ist, sich eigenständig festzuhalten. Bei den verschiedenen Affenarten kann man es jedoch sehr gut beobachten. Es wird zwischen aktiven und passiven Traglingen unterschieden. Erstere können sich selbständig festklammern (Affen), letztere haben Unterstützung, z.B. den Beutel der Känguruh-Mutter. Die Biologie ordnet den Menschen dem sogenannten ehemaligen aktiven Traglingen zu. Menschenbabys können, den Palma- und den Moro-Reflex aufweisen, nur hat ihnen die Evolution das Haarkleid zum Hineinkrallen genommen.
Die Sinnesorgane des Traglings sind nach der Geburt funktionstüchtig, aber z.T. nicht voll ausgereift, auch die Temperaturregelung ist noch labil. Sie befinden sich also in einem Zwischenstadium von unreif und reif. Die Nahrung ist eine kurz sättigende Milch, die zusätzlich auch den ständigen Kontakt zur Mutter verlangt.

 

Aus diesen biologisch begründeten Eigenschaften ergibt sich ein Grundbedürfnis nach Nähe. Für ein kleines Baby ist die Welt in Ordnung, wenn es Körperkontakt hat und Bewegung wahrnehmen kann. Darüberhinaus braucht es die Nähe, um sicher zu sein, dass es jederzeit stillen kann. Am Körper der Mutter sind diese drei Punkte gewährleistet und das Baby kann entspannt gross werden.